Das Monster von Podemus


Podemus mit seinen 75 Einwohnern ist eigentlich ein ganz verschlafenes Nest am Rand von Dresden. Alle sind hier nett zueinander und hilfsbereit. Der Rasen wird kurz gehalten und unterliegt ständiger Kommentierung durch den jeweiligen Nachbarn. Das Auto steht immer gewaschen in der Garage sicher vor Mardern verpackt. Und doch ereignete sich vor einigen etwas, von dem ich bis jetzt noch  niemandem erzählt habe.

Das Ereignis war recht ungewöhnlich und beinahe tödlich. Doch lies selbst:  Es geschah in einer recht mildem jedoch stockfinsteren Sommernacht. Ich sah noch wie ein Unwetter von Norden heranzog. Sicherheitshalber zog ich alle Stecker in der Wohnung ab und löschte das Licht um das sich anbahnende Schauspiel besser verfolgen zu können. Wenig später blitzte und donnerte es auch schon rings um Podemus. Der Regen schien die Wolken mit Bindfäden über dem Dorf festzuhalten. So am Fenster gelehnt zählte ich gerade wie viele Sekunden zwischen dem letzten Blitz und dem nun sichlich folgenden Donner liegen würde, als ich im Schein eines neueren Blitzes eine flüchtige Spiegelung nassen Holzes wahrnahm die irgendwie nicht zum Unwetter zu gehören schien. Hatte ich mich getäuscht? Vielleicht schon Augenflimmern vor lauter Bewerberrei? Ich sah genauer hin und tatsächlich beim nächsten Blitz gewährte ich eine Gestalt wie es schien mit langem schwarzen Mantel und tief ins Gesicht gezogener Mütze bekleidet den Garten unseres Nachbarn betreten. Kurz blitzen seine Augen aus dem Dunkeln. Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Vielleicht war es ja Besuch. Ich versuchte die Gestalt weiter im Dunkeln zu fixieren. Auf einmal als ob ich es geahnt hätte hielt der schwarze Schatten inne und griff langsam in seinen Mantel. Als die ersten Regentropfen von seinem Mantel auf etwas reflektierendes abtropften brauchte ich meine Phantasie nicht weiter zu bemühen um mir alles weiteres vorzustellen. Sollte ich mein kurzes leben schon mal sicherheitshalber an mir vorüberziehen lassen? Schnell versuchte ich Deckung in der Tiefe des Raums zu finden.

Plötzlich ging das Licht im Zimmer an. Ich war mit dem Rücken an den Lichtschalter gekommen. In höchstem Entsetzen warf ich mich gegen denselben und versuchte nochmals die Gestalt im dunkeln zu finden. Ich konnte gerade noch einen Schatten an unser Haus huschen sehen. Jetzt war er aus meinem Blickfeld. Mir fiel ein , dass ich vorhin in den Innenhof gehen wollte. Die Tür müsste noch offen stehen. Zum schließen war nun keine Zeit mehr. Schockiert blickte ich mich um scheinbar etwas zur Verteidigung suchend. Hastig schloss ich erst mal die Tür meines Zimmers. Sollte ich mich abseilen? Bis die Polizei hier war könnte eine Ewigkeit vergehen. Außerdem, wer weiß schon wo Podemus liegt...  Ich nahm nach einen schluck Bier und versuchte mich zu konzentrieren. Mein altes Springmesser konnte mir jetzt gute Dienste leisten. Schon hörte ich leises Knarren der nach oben führenden Treppenstufen. Jetzt kam es drauf an- er oder ich! Ich ich hörte meinen eigenen Puls rasen. Wild hämmerte es in der Schläfe und ich war trotz größter Anstrengung nicht in der Lage das Messer ruhig zu halten. Ich konnte den kalten Atem förmlich durch die Türritzen dringen sehen. Langsam begann er meine Nerven zu lähmen. Ich wollte und konnte nicht mehr warten. Mit einem Ruck stieß ich die Tür auf bereit zum äußersten. Etwa 2 Meter vor der Tür sah ich die Gestalt die letzten Treppen erklimmen. Beim näheren Hinsehen erkannte ich unter einem triefenden Schlapphut unseren Nachbarn in einen tropfenden Regenmantel gehüllt. Gerade noch rechtzeitig konnte ich den Schwung aus meinem Messerbewaffneten Arm nehmen. Peter ist alles O.K. ? - Ich sah eine Gestalt bei Euch am Fenster und fand die Tür offen. Ich erschrak aufs heftigste. Also war er noch hier. Bist du ok, was hast du? Christian unser Nachbar sah mich erschrocken an. Ich zitterte nun am ganzen Körper. Panik machte sich breit. Mein nächster Gedanke war Christian so schnell wie möglich ins Zimmer zu ziehen. Ich griff nach seinem Arm als er wie ein Stein zu Boden sackte. Hinter ihm löste sich ein schwarze Masse aus dem Dunkeln. Reflexartig schlug ich die Tür zu- gerade noch bevor ein Axthieb selbige teilte und im holz stecken blieb. Diesen Moment durfte ich nicht tatenlos verstreichen lassen. Instinktiv wusste ich um die Chance dieser Situation. Die Tür aufzureisen und ins Dunkle des Raums zu stechen war ein Gedanke dessen Ausführung sofort folgte. Einen anderen Plan hatte ich nicht. Kraftvoll warf ich mich mit dem Messer voran aus der Tür. Ein stechender Schmerz am Arm ließ mich zu Boden gehen. Verzweifelte versuchte ich mein Messer wiederzufinden das nicht mehr in meiner Hand war. Plötzlich hörte ich ein langes Röcheln welches mir aus dem Nichts entgegendrang. Mit einem ohrenbeteubendem Krach hörte ich etwas die Treppe hinunterfallen. Unschlüssig sofort hinterherzustürzen betastete ich meinen Arm. Er schmerzte zwar höllisch aber ich konnte ihn noch spüren. Vom Adrenalin gepeitscht zog ich mich ans Geländer und versuchte hinter Ihm herzustürmen. Aus unteren Stockwerk drang wildes keuchen an mein Ohr. Peter... Peeetteer! Christian rief mich von oben und ich sah wie er versuchte aufzustehen. Der ohne Zweifel tödlich gemeinte Schlag hatte sein Kopf nicht voll getroffen. Blut rann ihm über die Stirn aber irgendwie brachte er noch ein Grinsen zustande. Du musst Ihm hinterher. Doch ich konnte nicht mehr. Erschöpft sackte ich neben Christian auf den Boden. Von draußen drangen die ersten Sonnenstrahlen ins Haus es war mittlerweile 4 Uhr geworden. Als wir uns ansahen lachte jeder von uns erleichtert los. Wir waren noch einmal davongekommen. Plötzlich ließ mich ein schriller Ton hochschrecken. Noch auf dem Boden liegend hörte ich das Telefon klingeln. Jeder Knochen tat mir weh. Ich musste auf dem Boden neben Christian eingeschlafen sein. Benommen schaute ich mich um - von Christian keine Spur. Hatte ich das etwa lles nur geträumt?

Am nächsten Morgen regnete es immer noch. Vereinzelt suchten jedoch schon Sonnenstrahlen einen Weg aus dem Dickicht des Wolkenfeldes, ein Podemuser Hahn lies es sich nicht nehmen dem leicht angeschlagenen und von der Schlacht sichtlich gezeichneten Held ein Ständchen zu krächzen. Mein Schädel brummte wie nach 3 Flaschen billigem Wein. Mühsam versuchte ich mich an das Geschehene zu erinnern. Plötzlich wurde mir unser Versagen mit aller Deutlichkeit klar. Wir hatten Ihn entwischen lassen!  Scheiße verdammte, brüllte ich Christian an, der noch nicht den richtigen Ausgang aus dem Reich der Fastlöfferabgeber gefunden hatte. Aber noch war ja nicht alles verloren- wir würden Ihn  finden und... Immerhin hatte ich doch einen Abdruck seiner Faust in meinem Gesicht. Einwandfreier würde man diesen Strauchdieb also nicht identifizieren und lokalisieren, ja vielleicht bei etwas Glück neutralisieren können. Vielleicht hat er sich ja schon in die Hosen gemacht und wir können Ihn damit dann genetisch überführen? Als ob Christian meine Gedanken erraten hätte, röchelte er sein Urteil zur Lage übers Parkett. Meine Gelenke krächzten beim Aufstehen fast so wie die ausgeglühten Eisenträger der Frauenkirche kurz vor Ihrem Einsturz 45.

Da in der Küche nichts brauchbares zu vernaschen war, stieg ich die Stufen zum Keller hinab. In einer hinteren Ecke hatten wir eine Zwischendecke eingezogen um mehr Platz zu gewinnen. Mein Blick kreiste über diverse Konserven mittelalterlichen Abfülldatums. Unschlüssig drehte ich das Glas mit den morschen Spargeln hin und her, als warmes Blut auf meine Hand tropfte. Immer schneller reihte sich Tropfen an Tropfen. Es steigerte sich rasch zu einem Rauschen welches sich plötzlich aus den Balken der Decke entlud. In einem entsetzlichen Gebrüll schien der ganze Keller sich mit Blut zu füllen. Die Deckenbalken brachen unter der entsetzlichen Last eines Monsters von unvorstellbarer Widerlichkeit zusammen. Wie im Nebel erkannte ich die auf mich stürzende Gestalt wieder. Sollte das wirklich mein Tag werden wie ich eben noch gedacht hatte ? (So richtig konnte ich da jetzt auch nicht mehr dran glauben, jetzt wo alles irgendwie total unkontrolliert und undemokratisch ablief.) Langsam sah ich ihn klarer. Mit schmerzverzerrtem Gesicht saß er mir gegenüber und presste seinen Arm auf seinen Bauch. Ich musste ihn gestern doch schwerer als vermutet verletzt haben. Sein Gesicht sagte mir überhaupt nichts. Du weißt schon, das Gewalt keine Lösung ist, begann ich das Gespräch. Meine Worte schienen in diesem fensterlosen Raum noch in der Luft bereits wieder den Rückzug antreten zu wollen. Irgenwas schwarzes saß da also in der Ecke und atmete ziemlich heftig. Lass uns doch erst einmal darüber reden, beschwörte ich ihn. Schnauze-die Sozialpädagogenmasche lief hier also auch nicht so toll. Eh, wie wärs mit nem Bier? Hast du Probleme oder was - ehh was willst du eh. Du machst mich an eh? Dieses türkische Gestammle ging mir allmählich auf die Nerven. Mit entschlossener Hand nahm ich eine gefrorene Dönerkeule aus dem Gefrierschrank und warf sie in die Richtung des Peinigers. Eeehh...auuu- waren glaube ich seine letzten verständlichen Worte. Ich hatte es irgendwie geschafft den Tyrannen zu seinen Üzgürs zurück zusemmeln. Ja heute war doch noch ein schöner Tag geworden. Dies konnte auch nicht die Erkenntniss trüben, dass es bei nährem betrachten seiner Wunde wahrscheinlich ein rostiger Nagel in der Zwischendecke war, der die Ursasche für seine Verletzung gewesen sein musste. Irgendwie war ich halt ein Siegertyp. Genüsslich zog ich an meiner ersten Blechsemmel des Tages... sollte der Dönerstand um die Ecke ruhig mal ohne ihn auskommen.

-Ende-

PS: Diese Geschichte basiert natürlich auf reiner Phantasie. Irgendwelche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen kann aufgrund des Zustands unserer Gesellschaft heute jedoch nicht mehr ausgeschlossen werden. Sie waren jedoch zur Entstehungszeit des Werkes vom Autor weder beabsichigt noch Ziel seines Werkes. Anregungen und Huldigungen nimmt der Autor natürlich aufgeschlossen und herzlich zur Kenntniss. Aufgrund der Ausnahmestellung des Schreibers kann jedoch nicht die Weiterverarbeitung oder Berücksichtigung Eurer Ratschläge und Hinweise verlangt werden. Wenn Ihr also trotzdem noch Lust verspürt Euer Statement an mir auszulassen mailt an: pecon@gmx.at  !